Son Mut Nou: die vielfältigste Feigenbaum-Plantage der Welt befindet sich in Mallorca
Der Feigenexperte Monserrat Pons hat eine lebendige Kulturlandschaft mit Feigenbäumen aus aller Welt angepflanzt
Von Himmel aus erblickt man eine rotfarbige Fläche, welche mit Feigenbäumen und Mandelbäumen bedeckt ist. Son Mut Nou liegt in Llucmajor und übt eine starke Anziehungskraft auf Feigenliebhaber der ganzen Welt aus. Monserrat Pons, den ich vor zwei Wochen in Neapel während der internationalen Feigentagung kennengelernt habe, führt mich durch die breiten Pfade seines Feigenhofes, einen rustikalen Korb in der einen Hand, den Hakenstab aus Holz in der anderen. Die 2600 Feigenbäume, die seine Plantage beheimatet, erheben majestätisch und tragen die letzten Feigen der Saison.
Bunte Feigen aus unterschiedlichen Formen und Grössen geben Auskunft über ihre unterschiedliche Herkunft. Auf einer Seite sieht man die Nachfahren der sieben biblischen Feigenbäume, deren Stecklingen Monserrat in der Levante-Region finden konnte. Hunderte Feigensorten aus den Balearen und ganz Europa erstrecken sich direkt daneben. „Guck mal, das ist der Feigenbaum von Antonio Machado, dem Dichter“, erzählt er, während er eine saftige Feige mit seinem Dolch halbiert. „Dieser kommt aus deinem Land. Meine Schwägerin, eine Nonne, ist in Peru gewesen und hat mir Stecklingen aus Moche (Nordperu) mitgebracht“.
1. Monserrat Pons während einer Wanderung in Son Mut Nou. 2. Die Feigensorte bordissot rimada. 3. Ein alter Feigenbaum, der „gezäumt“ wurde, damit die Schweine die Feigenreste futtern können.
Er hat es eilig, denn heute empfängt er eine Gruppe von Philologen, welche die Symbolik des Feigenbaums in der Dichtung der katalanischen Sprache erforschen. Monserrat ist sich bewusst, dass seine finca mehr als eine landwirtschaftliche Enklave ist: sie ist lebendige Geschichte. Deswegen besuchen ihn oft Botaniker, um die unendliche Biodiversität auf seinem Hof zu bewundern; Gastronomen, die sich der Slow Food Bewegung angeschlossen haben und die lokalen Feigensorten in ihren Restauranten wiederbeleben wollen; KünstlerInnen, die in diesem Pantheon der mediterranen Natur nach Inspiration suchen.
Wir wandern den erdigen Pfad entlang, der zur Steinhütte führt, in welcher Monserrat die Feigen in Feigenbrot –ausschließlich mit Mandeln aus Mallorca–, Feigenkompott, figat, Feigenwein und Feigengelee verarbeitet. Heute wird er vor den Philologen einen Vortrag über die kulturelle Bedeutung des Feigenbaums und seine Relevanz für die Geschichte der Balearen halten. Präsentationen wie diese bietet er seit vielen Jahren an, sei es hier, in Son Mut Nou oder in fernen Ländern wie Malaysia oder bei den internationalen Feigentagungen. Neben den Vorträgen stellt er immer gern eine Verkostung zur Verfügung: Feigenbrot mit sobrasada, handwerkliches Brot mit Feigenmarmelade, Käse mit frischen Feigen.
1. Cosme Mayo, eine einheimische Sorte der Insel. 2. Feigenbrot mit Mandeln. 3. Das Feigenbrot auf dem Wochenmarkt von Llucmajor.
Die Plantage ist auch ein Ort der meditativen Ruhe.
Während Monserrat den Konferenzraum von Son Mut vorbereitet, betrete ich kurz den Tunneltrockner, in welchem die Feigen von der gestrigen Ernte getrocknet werden. Manche von ihnen sind halbiert, andere liegen auf den Trocknungsanlagen ohne ihre ursprüngliche Form verloren zu haben. Sobald die Feigen die erwünschte Konsistenz erreichen, werden sie mit heißem Wasser sterilisiert und bei milder Temperatur im Ofen gedörrt. Die getrockneten Feigen bilden die Basis der Feigenpaste, aus der die Feigenbrote von Son Mut bestehen. Der Sonnenuntergang erhellt den goldfarbigen Feigenhain und bildet eine Einheit zwischen Himmel und Erde. Dann kommen die Philologen.
Monserrat ist mit manchen von ihnen befreundet. Nach der Begrüßung beginnt die Präsentation: die Relevanz der Feigenbäume im Hinblick auf die Ernährungssysteme der Vergangenheit und der Zukunft, die Feigensorten aus Mallorca und die Rezepte. Sobald der Vortrag zu Ende ist, gehen wir alle zusammen zum figueretum, dem Raum, in welchem die jungen Feigenbäume vor ihrer Anpflanzung gedeihen. Die Besucher bewundern die Harmonie und kreisen Monserrat ein, als er einen ficus palmata beschreibt. Voller Energie, ohne in Hektik zu geraten führt er die Gruppe zur Plantage, denn die Dämmerung wird bald anbrechen. Wir begutachten lokalen Sorten wie Martinenca, Madre de Deus, Coll de Dama Rimada und Cosme Mayo, sprechen über die Vielfalt der Feigenfrucht und kehren zum Konferenzraum zurück, in welchem die Verkostung auf uns wartet.
1. Eine saftige getrocknete Feige. 2. Die Dämmerung ist ein guter Anlass, um die Schönheit der Plantage zu betrachten.
Eine Reihe von Produkten liegt auf einem rustikalen Tisch. Getrocknete Feigen in Olivenöl, Feigenbrot, Feigenmarmelade, Feigenchampagner. Kaltes Wasser steht auch zur Verfügung, denn die Süsse der Feige weckt den Durst. Dieses Bild wiederholt sich zwei Tage später, als eine Gruppe von Pädagogen die Plantage besuchen, um die einheimische Natur wertzuschätzen und sie in den Schulen vorzustellen. Ein Jahr später, als ich Son Mut zum zweiten Mal besuche, empfangt Monserrat Gastronomen und Journalisten aus Alcudia, die seinen Feigenkaffee verkosten wollen. Auch für sie gibt es Feigendelikatessen und eine Tour durch Son Mut Nou.
Vormittags ist Monserrat in seiner Apotheke zu finden. In Llucmajor ist er als „der Apotheker der Feigenbäume“ bekannt. Das Geschäft führt er seit vielen Jahren zusammen mit seiner Frau Hortensia. Ihr hat er sein Buch „Die Feigenbäume der Balearen Insel“ gewidmet. Die Tatsache, dass die Feigenbäume wieder an Bedeutung in Mallorca gewonnen haben, lässt sich teilweise auf sein Engagement zurückführen, welches zurzeit an internationale Anerkennung gewinnt: Son Mut Nou ist jetzt ein Kraftort für Feigenliebhaber der ganzen Welt. Ein Ort, an dem essbare Traditionen präserviert sind und weitergegeben werden.
1. Vielfalt von Feigenprodukten (Feigenbrot, figat, Feigen-Olivenöl, Feigenessig und Feigenwein).
Die Feigenbaum-Plantage öffnet ihre Türe zwei Mal pro Woche (drei Mal in Sommer). In Ausnahmefälle lässt Monserrat bei vorheriger Koordination mit ihm Besuche auf Son Mut Nou ausserhalb der regulären Öffnungszeiten zu. Solche Besuche sind kürzer, geben aber genug Zeit, um die Plantage zu besichtigen, das Buch von Monserrat durchzublättern (auf Spanisch, Englisch und Katalanisch) und Feigenprodukte einzukaufen.
Ein Spaziergang quer durch diese Feigenbaum-Plantage kann manchmal die Suche nach den eigenen Wurzeln bedeuten. So ergeht es beispielsweise Agustin, einem achtzigjährigen Mann aus Nordargentinien, der herkam um diejenigen Feigensorten wiederzusehen, welche seine Vorfahren vor deren Migration nach Südamerika Anfang des 20. Jahrhunderts in Santiago del Estero mit Sorgfalt kultiviert hatten. Für andere wie Mónica Fuster, eine Künstlerin aus Mallorca, sind die Feigenbäume Inspirationsquelle für die Gestaltung von Kunstwerken, die den Biodiversitätsverlust im Zuge der Vereinheitlichung der Kulturlandschaft in Mallorca thematisieren. Das Zusammenfließen verschiedener Leidenschaften hält diese Plantage lebendig, und bestätigt Monserrat in der vielen Arbeit, welche er in die Erhaltung der Landschaft investiert.