Askada Farm: getrocknete Feigen in Bioqualität aus Kymi
Litsa und Stathis revitalisieren eine uralte Feigentradition durch den ökologischen Anbau und die ganzheitliche Landschaftsgestaltung am ägäischen Meer
Wenn man von Athen nach Kymi fahren will, muss man den Bus auf dem Liosion Busbahnhof nehmen. Litsa und ihre Familie warten auf mich. Sie hat mir schon die notwendige Information vermittelt, damit ich ohne Hürde zu ihnen kommen kann. Die Buslinie verbindet die Hauptstadt Griechenlands mit der langgestreckten Insel von Evia. Die Landschaft ist hügelig und die Fahrt dauert gute vier Stunden. Das wird meine erste Erfahrung mit den askada Feigen sein, mit denen ich bis heute verbunden bin.
Der Bus erreicht Kymi am Abend. Die Haltestelle liegt auf einer engen Straße und ist der einzige Ort, der beleuchtet wird. Die Dunkelheit erstreckt sich durch die waldigen Gebirge, die vermutlich Feigenbäumen und Olivenbäumen beheimaten. Ich bin früher als erwartet angekommen und kann Litsa leider nicht anrufen, da mein Handy keine Daten mehr hat. Der Busfahrer ist in Eile, bemerkt aber meine Unruhe und tut mir den Gefallen, Litsa zu kontaktieren, um ihr Bescheid zu geben, dass ihr südamerikanischer Gast schon angekommen ist. Fünfzehn Minuten später ist sie hier.
Kymi liegt auf der Insel Evia, wo die Feigenbäume eine uralte Geschichte haben. Die Askada ist eine Spezialität dieser Gegend.
Litsa und Stathis nach der Arbeit bei der Ernte und der Trocknung der Feigen, die schon halbiert im Freien dehydriert werden. Beide haben Askada Farm im Jahr 2013 gegründet.
Stathis –ihr Mann– und ihre zwei Kinder warten auf uns in ihrer Wohnung. Das Abendessen ist schon bereit: griechische Salat, Paximadia mit Tahin, getrocknete Feigen, frische Feigen, Feigenkompott. Bevor wir alle diese nahrhaften Leckereien verzehren, zeigt mir Stathis meinen Schlafplatz, wo ich mein Gepäck, voll von peruanischen Feigenbroten, sofort ablege. „Morgen fangen wir mit der Ernte um 6 Uhr an, deine Unterstützung ist herzlich willkommen“.
Kurz vor dem Zubettgehen schaltet Stathis den Fernseher ein und wir alle gucken auf den Bildschirm mit viel Aufmerksamkeit. Auf der einen Seite, hört man Nachrichten über die sozialen Unruhen, die in Griechenland wegen der wirtschaftlichen Krise herrschen und eine heftige Diskussion über das Bleiben des Landes in der EU ausgelöst haben. Auf der anderen Seite, gucken wir den Wetterbericht, denn der Regen könnte morgen die Arbeit auf dem Feigenhof limitieren. Trotz der Unsicherheit fühlen wir uns zufrieden wegen unserem landwirtschaftlichen Austausch und haben den Eindruck, dass unsere kurze Zusammenarbeit, die ab morgen stattfinden wird, unsere Arbeit als Feigenproduzenten besser machen wird.
Die ganze Familie nimmt an der Askada Herstellung teil. Die Arbeit mit den Feigen begünstigt das Miteinander.
Wenn die reifen Feigen herunterfallen, müssen sie sofort aufgehoben werden. Solche Feigen, die auf dem Boden liegen und ganz appetitlich aussehen, werden als Muskada erkannt.
Im Morgengrauen stellen Stathis und ich Erntekisten in den Pick Up und fahren direkt zur Feigenbaum-Plantage, die fünf Kilometer von der Wohnung entfernt liegt. Litsa muss sich mit der Verarbeitung der Feigen beschäftigen, deswegen werden wir sie nachmittags bei der Trocknungsanlage treffen. Die Geografie ist waldig und steinig. Dann lassen sich 700 junge Feigenbäume der kymi Sorte inmitten einer sonnigen und farbigen Landschaft erblicken. Wir parken und fangen ohne weiteres mit der Ernte an. Die Feigen sehen groß, saftig und goldgelbfarbig aus.
Die Zubereitung der Askada scheint einfach zu sein: man halbiert die Feigen und trocknet diese im Freien. Man muss jedoch echte Sensorik dafür entwickeln, denn jede Feige muss sich teilweise in dem Baum dehydrieren, bevor man sie erntet. Nach der Halbierung, legt man die Feigen auf die Trocknungsanlage. Das Fruchtfleisch wird direkt von der Sonne karamellisiert und in eine Art Honig umgewandelt. Dann klebt man die Feigen zusammen und lässt sie zwei Tage mehr im Freien trocknen. Stathis erklärt mir den ganzen Prozess, als wir ohne Hektik die Feigen vom Boden aufheben. „Das, was wir jetzt machen, ist nur der erste Schritt, dann muss man alles sorgfältig aussortieren und die Feigen mit einer Schere halbieren“, erzählt er weiter. „Die kleinen Feigen wandeln wir in Feigenpaste, Marmelade oder Sirup um, hier wird nichts verschwendet“.
Die Askada kurz vor dem Zusammenkleben. Dieses Rezept ist die Manifestation des Zusammenhangs zwischen Ökosystemen, Handwerk, Bioanbau und Geschichte.
Es ist Mittag und wir sind mit der Arbeit schon fertig. Stathis und ich legen zwölf Kisten voll Feigen auf dem Pick Up. Vor der Abfahrt verzehren wir eine Spanakopita und sprechen ganz kurz über die Herausforderungen des Bioanbaus. Wir müssen uns aber beeilen, denn Litsa wartet auf uns und die Feigen, die wir heute gesammelt haben, müssen aussortiert werden. Glücklicherweise macht die ganze Familie mit, was die Aufgaben leichter macht.
Askada Farm wurde als eine Rückkehr zur Tradition konzipiert. Litsa und Stathis studierten in Athen –sie kommt aus der Kommunikationswissenschaften, er hat eine Ausbildung in Wirtschaft gemacht–, die beiden hatten aber eine starke Sehnsucht nach der Natur. Ihr Übergang zur Landwirtschaft war nicht mühsam, denn ihre Familien hatten schon eine Beziehung zum Land. Im Jahr 2013 hatten sie schon das Projekt gestaltet. Der Naturschutz, die Erhaltung von bäuerlichen Traditionen und die Lebensmittelqualität waren die Voraussetzungen, die erfüllt sein mussten. Die Anerkennung kam bald: 2014 kriegen sie den Preis Great Taste Greece wegen ihrer aromatischen und nahrhaften getrockneten Feigen, immer in Bioqualität.
Die Feigen sind schon fertig und jetzt müssen sie mit heißem Wasser sterilisiert werden. Solche Vorgänge werden auch in Spanien und Kroatien eingesetzt.
Ich helfe ihnen die ganze Woche durch. Da wir uns fast direkt am Meer befinden, gehen wir manchmal zum Dorf hin, um marinierte Anchovies mit Brot und Olivenöl zu essen. Litsa macht mir auch den Vorschlag, Fotos von ihren Produkten von dem Feigenhof aufzunehmen, was ich täglich mit viel Vergnügen erledige. Wenn das Wetter regnerisch wird, decken wir die Trocknungsanlage mit einer riesigen Plastikfolie, um die Feigen zu schützen.
Die zusammengeklebten Feigen erreichen die erwartete Konsistenz nach sechs Tagen, dann kommt endlich die Askada in Erscheinung. Jedes Exemplar muss vielmals bewegt werden, was echte Feinmotorik verlangt. Nach der Trocknung, werden alle Feigen in einer dunklen Kammer gelagert und mit heißem Wasser sterilisiert. Kurz danach werden die Feigen im Vakuum verpackt und landesweit verteilt.
Unsere Zusammenarbeit wiederholte sich ein Jahr später. Ich kam zu Besuch immer im September, zum Ende der Saison. Im Jahr 2018 trafen wir uns zum letzten Mal, als Askada Farm schon einen guten Ruf in der griechischen Biobranche hatte. Jetzt stellen sie Feigensalami mit regionalen Kräutern und Feigenpralinen mit Schokolade her, halten Vorträge über die ganzheitliche Gestaltung ihres Feigenhofes und nehmen gern Studenten auf, was ganz verständlich ist, denn sie haben mich auch als Student –und Freund– aufgenommen.